Die «Shoe Box» von Seba Kurtis bezieht sich nicht auf das Objekt selbst, sondern auf seinen Inhalt: Familienschnappschüsse, in einer Schuhschachtel hinterlassen, als Seba Kurtis und seine Familie Buenos Aires verlassen. Unter dem Druck der wirtschaftlichen und politischen Krise flüchten sie aus Argentinien nach Spanien, wo sie als illegale Einwanderer leben. Die Aufnahmen, nach Jahren zurückerlangt, sind beschädigt, gezeichnet vom Lauf der Zeit und einem Wasserschaden. Indem er die Aufmerksamkeit auf den ästhetischen Aspekt dieser Spuren richtet, erschafft der Fotograf eine bedeutungsvolle Welt, in der die Dimensionen der Identität und der Erinnerung eine wichtige Rolle spielen. Die Vorder- und Rückseiten verstärken den Eindruck eines Gemäldes, das durch diese abstrakten Spuren der Zeit entstanden zu sein scheint.
Die glänzende Unterlage, zerfressen und ausgebleicht, lässt diffuse Flecken erscheinen, wie Dampfwolken, die aus der Emulsion aufsteigen. Der Fotograf hebt dadurch die Instabilität des chemischen Prozesses hervor, welcher damit zu einer Metapher für die Unbeständigkeit unseres Gedächtnisses wird, welches mit dem Lauf der Zeit ebenfalls auszubleichen scheint. Diese Flüchtigkeit erinnert an die vergängliche Natur des Menschseins, welche der Künstler während seiner Jahre als illegaler Einwanderer immer wieder am eigenen Leibe erlebt hat. Durch die Neuinterpretation seines Familienalbums nimmt Seba Kurtis teil an dieser immer wiederkehrenden Fragestellung der zeitgenössischen Kunst: der Frage nach Sinn und Form der Archivierung, der Erinnerung und der Darstellung der Vergangenheit. Er spielt dabei auch mit der zweifachen Dimension der Sprache dieser Familienbilder, welche einerseits das gemeinsame Gedächtnis der Familie widerspiegeln, andererseits eine geschichtliche Informationsquelle darstellen. Die «Shoe Box» symbolisiert hier den biografischen Bruch, das «Vorher» und «Nachher», welches durch die Erfahrung der Migration entstand. Die Bildkomposition und die abgebildeten Szenen erscheinen uns vertraut, erinnern uns an unsere eigenen Familienalben. Seba Kurtis erlaubt uns hier einen Blick in seine Biografie, welche uns aber letztlich wieder auf unsere eigene zurückverweist.
Herstellungsjahr: 2008
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