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Journées photographiques de Bienne, 3.–26.5.2024

Stand-ins
Markus Bertschi

Die Serie Stand-ins überzeugt auf Anhieb durch ihre formale Perfektion. Die jeweils dargestellte Person steht in der Bildmitte, ist in ihr Umfeld eingebettet. Der Bildausschnitt ist sorgfältig gewählt, alles erscheint sauber, ruhig und klar. Man könnte meinen, es handle sich um eine klassische Portraitseri. Doch der Ernsthaftigkeit der Gesamtkomposition stehen humoristische Details entgegen. Ein Hauch von Spontaneität, von Unabgeschlossenheit, von Provisorium ist nicht zu verleugnen. Unmöglich, dass der Abgelichtete auf einem repräsentativen Portrait die Augen weder richtig offen noch ganz geschlossen hat oder dass ein Luftballon den Kopf des Portraitierten verdeckt. Genau dies ist jedoch bei Bertschis Stand-ins möglich.

Die Bilder oszillieren zwischen perfekter Inszenierung und Schnappschuss. Nie kommt der Betrachter zum abschliessenden Urteil, denn stets verhindert der eine Pol eine Zuordnung zum andern. Zu diesem lebendigen Charakter der Bilder kommt es durch ihre Produktionsweise und ursprüngliche Funktion. Stand-ins ist ein Nebenprodukt von Markus Bertschis Arbeit als Auftragsfotograf. Bevor der Firmenchef zum Fototermin erscheint, testet der Fotograf die räumliche Situation mit Hilfe einer beliebigen anderen Person oder allenfalls auch mit einem Objekt. Anhand dieser Vorbereitungsbilder kann er sich auf die vorherrschenden Licht- und Grössenverhältnisse einstellen und die Kamera entsprechend einrichten. Während die eigentliche Auftragsarbeit, ein Höchstmass an Inszenierung erfordert – Inszenierung in dem Sinne, dass minutiös durchdacht sein muss, was auf dem Foto zu sehen sein soll, damit ein interessantes Bild dieser Firma vermittelt wird, ohne jedoch die Künstlichkeit der Situation sichtbar zu machen – ist das Standin das spontane Vorbereitungsbild. Die Zufälligkeit zeigt sich auf dem Bild in der Testperson, doch im Räumlichen dringt bereits die spätere Inszenierung durch. Ein Spannungsverhältnis entsteht, welches den Betrachter fasziniert und den Stand-ins ihre Qualität als eigenständige Serie verleiht.

Nora Fiechter

headphone Markus Bertschi

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