Theatrical Suggestions (after Brouillet)
Istvan Balogh
In der Serie Theatrical Suggestions (After Brouillet) lässt sich Balogh durch das berühmte Ölbild Pierre-André Brouillets (1857-1914) inspirieren. Das Gemälde Une Leçon Clinique à la Salpêtrière (1887) zeigt den Neurologen Jean-Marie Charcot (1825-1893), wie er vor einer ganzen Schar von Kollegen eine Frau behandelt, die, hypnotisiert und nach hinten eingeknickt, von Charcots Assistenten auf den Beinen gehalten und in dieser Stellung der Menge vorgezeigt wird.
Mit seinem Interesse an Charcots Studien über hysterische Frauen, verweist Balogh auf den Diskurs, der die Hysterie in die Nähe der theatralen Inszenierung rückt. Bereits Charcots Forschungsarbeiten dokumentierten mit zahlreichen Fotografien eindrückliche Beispiele von Patienten, die sich in die Diagnose des Arztes hinein leben wie in eine Theaterrolle, und auch die moderne Medizin macht geltend, dass das Störungsmuster vorwiegend in der Gegenwart eines Gegenübers auftritt. Die hysterische Interaktion wird deshalb nicht ganz zufällig zum Archetypus eines klassischen Machtverhältnisses zwischen Mann und Frau stilisiert, das sich beim zweiten Hinschauen gewissermassen ins Gegenteil verkehrt. Berühmte SchauspielerInnen haben diese Positionen in der Salpêtrière vor Ort studiert und mit Bezug auf Charcot feierten die Surrealisten 1928 gar genüsslich das fünfzigjährige Jubiläum der Hysterie.
Pascal Kaegi