Gleichzeitig zusammen dasselbe Programm im TV anschauen? Hong Kong, 9 Uhr abends, Dezember 2000. Für seine Serie «TV Time» hat der Fotograf Georg Aerni während seiner nächtlichen Streifzüge durch Hong Kong die plötzlichen Lichtveränderungen an und aus den Gebäuden aufgenommen. Die Serie zeigt eine Abfolge von Fassaden, die von zahlreichen kleinen Vierecken erleuchtet sind. Die kleinen Vierecke wirken dabei wie ein sich ständig wiederholendes Motiv. Kleine Details erlauben es allerdings, die einzelnen Vierecke voneinander zu unterscheiden; so gibt es etwa phosphoreszierende Bildröhren, die ein bläuliches Licht abgeben und mit dem orangen Glanz, der aus anderen Wohnungen dringt, konkurrieren. Die unterschiedlichen Elemente verweisen auf eine Vielfältigkeit, die sowohl auf die Ästhetik, als auch auf den sozialen Status der Bewohner und der Quartiere, in denen sie leben, bezogen werden kann.
Die Towers scheinen unendlich in den Himmel hinauszuwachsen, sie stellen eine spezielle Silhouette der urbanen Landschaft dar, die sich in einer Wiederholung senkrechter, sich am Horizont ausdehnender Linien ausdrückt. Man bekommt den Eindruck, es seien Hunderte von Menschen anwesend, obwohl man diese nie zu Gesicht bekommt. Die Frontalansicht der Gebäude scheint es fast möglich zu machen, in die Wohnungen einzudringen. In unserer Fantasie entfaltet sich ein Innenleben; es entsteht eine Spannung; man hat den Eindruck, ein «Voyeur» zu werden – dabei bleibt das Aussenleben intakt, es spielt sich gleichsam über der Szene ab, die wir sehen. Georg Aerni hinterfragt die architektonische Struktur von modernen Städten. Er liefert mit dieser Serie ansatzweise eine fotografische Antwort auf die Fragen, die er sich zu Hong Kong gestellt hat. In dieser Stadt, in der die urbane Beschleunigung in einem von wirtschaftlichem Aufschwung geprägten Umfeld abläuft, gibt uns der Künstler die Möglichkeit, unser eigenes Bild von der Stadt kritisch zu beleuchten und unsere täglichen Aktivitäten, die wir inmitten von vielen Individuen ausüben, die sich nahe bei uns oder anderswo befinden, zu überdenken.
Herstellungsjahr: 1999–2000
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