Der stille Gast
Chantal Michel
Für Michel sind Subjekt und Objekt keine festen Entitäten, sodass das eine gerne für das andere genommen werden kann. Der Mensch kann eine Ware sein, wie anderseits Dinge anthropomorphe Züge tragen können. Michel fungiert als Medium in einem Zwischen(be)reich, als (Schutz)engel, (Polter)geist, (Un)wesen. Sie hat ein ausgesprochenes Flair für die Aura von verlebten Dingen wie Spannteppiche, Lampen oder Tapeten, die in ihrem Allerweltscharakter eine Spur Unheimlichkeit aufweisen. Wenn sich Michel in entsprechender Kostümierung in diese leicht abgestandenen, ausrangierten Interieurs mit Haus- und Unrat begibt und sich in einer Art Mimikry für ein Teil dessen hält, füllt sich die Szene mit einer Prise Groteske und Wahnsinn.
Die Reduktion des handelnden Subjekts auf seine Unbeweglichkeit und Erstarrung, auf seine Verdinglichung ist jeweils eine fotografische contradictio in adiecto; sie ist eine lebende Puppe, eine anthropomorphe Sache ohne Identität. Der Totstellreflex, der eine theatralische Spielform zitiert, ist auch eine Performance, die eigene Person zurückzunehmen und zu versachlichen, wenn nicht gar zu leugnen. Nur haben wir es nicht mit einem psychischen Defekt zu tun, sondern Michel figuriert ihre Grotesken stets mit kindlichem Humor; wenn sie die Augen schliesst oder die anderen nicht sieht, ist es für sie klar, dass auch die anderen sie nicht sehen.
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Chantal Michel
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