Carnival Strippers
Susan Meiselas
Die Bilder zeigen und dokumentieren die Girl-Shows, die ich in Neuengland in den Sommern 1973, 1974 und 1975 besucht habe. Die Frauen, die ich bei dieser Gelegenheit kennenlernte, waren zwischen 17 und 35 Jahren alt. Die meisten von ihnen stammten ursprünglich aus Kleinstädten, die sie auf ihrer Suche nach Mobilität, nach Geld, nach der grossen weiten Welt und einem anderen Leben als das, das ihnen vorgeschrieben oder vorgezeichnet schien, verlassen haben. Der Jahrmarkt bot ihnen die Gelegenheit, das «alte Leben» hinter sich zu lassen. Es waren Ausreisserinnen, Freundinnen von Schaustellern und Klubtänzern, sie arbeiteten mal hier mal dort, nie fest, aber immer professionell. Sie wurden bar bezahlt, 15 bis 50 Dollar pro Nacht, Spesen wurden dabei vorgängig abgezogen.
Die Girl Show ist ein Business, und Striptease in einer Budenstadt ist einerseits harter Wettbewerb und andererseits saisonal beschränkt. Diejenigen Frauen, die das Jahrmarkts-Strippen zum Beruf machten, klapperten im Winter Go-Go-Bars, Strip-Clubs und Single-Parties für Männer ab oder arbeiteten als Gelegenheits-Prostituierte. Für die meisten Frauen war der Jahrmarkt eine Zwischenbeschäftigung, eine Station auf ihrem Weg zur Kellnerin, Sekretärin oder Hausfrau. Diese Welt zu (er)finden, heisst noch lange nicht, sie auch zu anerkennen. Ich wollte eine Art Bestandesaufnahme, ein Inventar der Girl Show vornehmen. Ich wollte nachzeichnen, was ich dort gesehen hatte, und aufdecken, was die Frauen bei ihrer Arbeit empfanden.
Susan Meiselas