Nierentransplantation
Daniel Rihs
Der Tag vor der Operation vergeht nur langsam. Wenn alles gut geht, beginnt für die elfjährige Leonie Zeller am nächsten Tag ein neues Leben. Seit ihrer Geburt leidet Leonie an einer Niereninsuffi zienz. Die Funktion ihrer Nieren nimmt stetig ab und sinkt gegen die 10%-Grenze. Jede Nacht sammeln sich in ihrem Körper Giftstoffe an. Am Morgen ist ihr übel und sie erbricht sich häufig. Während Jahren musste sie durch eine Nasensonde künstlich ernährt werden.
Marilyn Zeller wird sich keine Verschnaufpause gönnen. Sie wird sich wie immer um Leonie kümmern, bis sie am nächsten Morgen um 7.41 Uhr selbst in der Narkose liegt. Damit ihre Tochter gesund wird, hat sich Marilyn Zeller vor längerer Zeit entschlossen, ihr eine Niere zu spenden. Was dieser Eingriff für ihre eigene seelische und körperliche Integrität bedeutet, darüber hat sie sich noch kaum Gedanken machen können.
Eine Lebendnierentransplantation ist im Universitätsspital Zürich beinahe schon ein Routineeingriff und wird mehrmals wöchentlich durchgeführt. Jeder medizinische Eingriff bleibt aber mit einem beträchtlichen Risiko verbunden. Das Bundesamts für Sozialversicherungen schätzt, dass in der Schweiz jährlich 2 000 bis 3 000 Menschen an den Folgen von medizinischen Fehlern sterben – das sind deutlich mehr Menschen, als im Strassenverkehr getötet werden. Die Operation verläuft ruhig und nach Plan.
Marilyn Zeller machen die Folgen des Eingriffs noch längere Zeit zu schaffen. Falls ihre verbleibende Niere gesund bleibt, hat sie jedoch gute Aussichten: Gemäss den Ärzten kann sie mit lediglich einer Niere problemlos 90 Jahre alt werden.
Leonie geht es schnell besser. Bereits zwei Tage nach der Operation verspürt sie Heisshunger. Zum ersten Mal im Leben darf sie essen, worauf sie Lust hat. Die Chancen stehen gut, dass sie die körperlichen und geistigen Defi zite aufholen und ein beschwerdefreies, eigenständiges Leben führen kann.
Daniel Rihs