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Journées photographiques de Bienne, 3.–26.5.2024

«Se sche was?»
Judith Schlosser

Ein Hirnschlag reisst Vreni im Dezember 2000 aus ihrem ausgefüllten aktiven Leben. Irreversible halbseitige Lähmung, Zerstörung des Sprachzentrums, lebensbedrohendes Eudem – die Ärzte machten wenig Hoffnung. Allen Prognosen zum Trotz: Vreni überlebt und mit dem ihr eigenen eisernen Willen beginnt sie langsam, alle Lebensfunktionenen wieder zu erlernen.

«Se sche was» sind Vrenis erste und für längere Zeit einzige Worte. «Se sche was?» Vreni hat versucht mich telefonisch zu erreichen, ich höre ihre Stimme auf dem Beantworter, sie tönt gut gelaunt. Ich melde mich zurück. «Se sche was?» «Ich komme nach dem Essen vorbei.» Vreni hängt auf. Ich denke, sie hat mich verstanden.

Vreni wohnt nach einem halben Jahr Rehaklinik wieder zu Hause, unterstützt von ihren Kindern, ihrem Mann und der Hilfe der Spitex. Arbeiten kann sie nicht mehr, aber das scheint sie heute wenig zu kümmern. Vreni war jahrelang als Journalistin bei SF DRS tätig. Angesprochen auf die Zeit beim Fernsehen, sagt Vreni nur «schaffe…wääh…äxgüsi!» und lacht.

Vreni auf der Terrasse – Vreni im Garten –Vreni in der Physiotherapie. Unser Projekt ist ein Langzeitprojekt. Angefangen haben wir im November 2001. Vreni geht ihren Weg, ich begleite sie.

Im August 1984, beide hochschwanger, haben wir in der Storchenbar in Zürich bei einer Flasche Champagner unsere Freundschaft besiegelt. Heute, 2004, sitzen wir bei einem Glas Wein auf Vrenis Terrasse und stossen an auf unser gemeinsames Projekt, Vreni schaut mich an und lacht. Ich denke, sie liebt mich. Ich liebe sie auch, sehr sogar.

Judith Schlosser

 

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