Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
Journées photographiques de Bienne, 3.–26.5.2024

«Vent favorable — l’âme diluée, le coeur entre les dents» oder «Was macht Caspar Wolf heute?»
Katrin Hotz

Der günstige Wind im Rücken – die Aufforderung ins Unbekannte aufzubrechen. Was den Romantikern vergangener Jahrhunderte noch Lebensantrieb war, ist im Zeitalter von Google Earth nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade die Fotografie hat massgebend dazu beigetragen, dass jeder Winkel der Erde zum virtuellen Allgemeingut wurde. Was kann dem noch entgegengehalten werden?

Katrin Hotz ist eine Reisende mit einer Vorliebe für Orte, an denen es offiziell laut Reiseführer nichts zu sehen gibt. «A voir: Rien!» Hier sind Entdeckungen und ein eigenes Sehen noch möglich. Zur Fotografie ist sie während eines Aufenthalts in Lappland gekommen. Davor arbeitete sie kollaborativ und primär mit den Medien der Zeichnung und Installation. Aus der anfänglichen Begeisterung für das fremde Land begann sie zu fotografieren. Selbst bezeichnet sie diese ersten Bilder als Touristenfotos. Daraus entwickelte sich jedoch ein persönlicher Stil, der geprägt ist vom Blick der Zeichnerin für die Führung von Linien und reiche Oberflächenstrukturen.

In «Vent favorable — l’âme diluée, le coeur entre les dents» oder «Was macht Caspar Wolf heute?» spielt Katrin Hotz mit der Tradition des Stilllebens. Wir sehen zufällig angetroffene Alltagsgegenstände auf Armaturenbrettern. Eine verdichtete Aussage über die Reisenden, ihre Vorlieben und ihr Umfeld. Die Künstlerin weist auf die geschichtspolitische Tiefe des scheinbar harmlosen Genres hin: «War der Granatapfel im niederländischen Stillleben Zeichen einer erfolgreichen Kolonisationspolitik, ist heute die Peperoni im Schnee lediglich die Fortsetzung dieser Wirtschaftspolitik.»

Das Wageninnere tritt in einen Dialog mit der Landschaft ausserhalb der Frontschutzscheibe. Während in den ersten Bildern aus Finnland der Horizont eine wichtige Rolle spielt, fehlt er in den neueren Aufnahmen. Felswände oder Häuserschluchten schliessen den Aussenraum – der Betrachter bleibt im Auto gefangen. Katrins Hotz’ Fotos sind vom Genre des Road Movies inspiriert, aber deren Romantik bleibt unter dem Einfluss ihres spielerischen und doch sozialkritischen Blicks in der Schwebe.

Jeannine Hangartner

Katalog

+ Lesen Sie mehr- Afficher moins